Art der Veranstaltung: Tagung der Humboldt-Universität zu Berlin
Ort und Zeit: Forschungsstation Linde, 26. – 28. Mai 2015
Veranstalter: Prof. Dr. Ulrich Zeller, Fachgebietsleiter „Spezielle Zoologie“, HU-Berlin
Über die Veranstaltung
Das materielle Naturerbe besteht aus realen Individuen, Arten, Lebensgemeinschaften oder anderen Naturgebilden. Das immaterielle Naturerbe entsteht durch die gedankliche und kulturelle Reflexion materieller Naturgüter durch den Menschen. Das Bindeglied zwischen beiden ist der menschliche Erkenntnisapparat, der in seiner evolutiven Ausgestaltung auf die Wahrnehmung und Reflexion der „Natur“ abgestimmt ist (Mosbrugger). Die Wahrnehmung und Reflexion von Lebenserscheinungen ist dabei auch immer Stimulans für den kognitiven Apparat des Menschen und damit ein wesentlicher Faktor für seine Kreativität. Dies spiegelt sich in der vielfältigen Reflexion der Natur in den geistigen Leistungen des Menschen (Kunst, Literatur, Musik etc.) wider.
Die belebte Natur ist von sich aus, also immanent, vielfältig (Biodiversität). Der Erkenntnisapparat des Menschen ist auf diese Vielfalt justiert. Verarmt die Vielfalt des Lebens, verarmen auch die Eindrücke und Reflexionen beim Menschen, bis hin zur Sprache („Vom Verstummen der Welt“, Robischon, 2012). Deshalb und nach abgestuften Bewertungskriterien der (Umwelt)Ethik (Pothast, Berg) ist die Vielfalt des Lebens nicht nur aus materiellen Gründen („Ökosystemdienstleistungen“), sondern auch zur Erhaltung des immateriellen Naturerbes schützenswert.
Die geistig-kulturellen Reflexionen von biologischer Vielfalt wurden an Beispielen von Höhlenmalereien (Lenssen-Erz), der Jagd (Fiderer), der Avi- und Chiropterofauna (Göttert, Starik) und aus der Sicht des praktischen Naturschutzes (Seitz) dargestellt und diskutiert; die Möglichkeiten einer Anbindung an das UNESCO Memory of the Word-Programm erörtert (Jordan). Schließlich wurde auch dargestellt, dass der Mensch das materielle Naturgut, insbesondere die Biodiversität, selbst kulturell beeinflusst und nach seinen Vorstellungen umformt (Domestikation) (Zeller). Das Ergebnis, also die Kulturpflanzen und Haustiere, werden sowohl in materieller Hinsicht genutzt (Nahrung, Arbeit), als auch aus immaterieller Sicht reflektiert (Beispiele: „Blumensprache“, Tierfabeln, Gewänder und Schmuck).
Das immaterielle Naturerbe existiert niemals losgelöst von der materiellen Natur, sondern kann nur mit und durch sie existieren. Die „Monotonisierung der Welt“ (Stephan Zweig) führt deshalb immer auch zur Monotonisierung des Geistes und damit zur Verarmung des Menschen an seiner spezifischen Qualität.
Die Teilnehmer kamen übereinstimmend zu der Einsicht, dass das immaterielle Naturerbe nur im Rahmen eines transdisziplinären Ansatzes als präziser Forschungsgegenstand fassbar wird.
Die nächste Tagung zu diesem Thema findet im kommenden Jahr (2016) wieder in Linde statt.
Für die Veranstalter und Teilnehmer
Prof. Dr. Ulrich Zeller