Art des Projekts: Forschungsprojekt
Leitung: Prof. Dr. Jana Eccard, Universität Potsdam
Autorin: Vera Kaunath (Doktorandin)
Über das Projekt
Der massive Rückgang von sowohl Insektendiversität als auch ihrer Anzahl kann auf verschiedene, eng miteinander verknüpfte Faktoren zurückgeführt werden: Verlust der natürlichen Habitate (Veränderung der Landschaftsnutzung, Intensivierung der Landwirtschaft), chemische Belastung (erhöhter Einsatz von Pestiziden und Düngemittel), Klimaerwärmung und invasive Arten. Um diesem Insektenrückgang schnellstmöglich entgegenzuwirken, wurden bereits verschiedene Umwelt-Agrarmaßnahmen als Teil der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik implementiert. Hecken an Feldrändern, ungemähte Grünstreifen und wilde Blühstreifen gehören zu diesen Maßnahmen, wobei mit ihrer Erschaffung stets die lokale Biodiversität gefördert werden soll – denn diese Habitate können als Rückzugsort, zur Eiablage und als Überwinterungsplatz dienen und verfügen dabei gleichzeitig über ein vielfältiges Nahrungsangebot.
Der bereits im Herbst gesäte Blühstreifen auf einer der Untersuchungsflächen in Linde.
Entwicklung über die Jahre der konventionellen Blühstreifen (links) und der Blühwander-fenster (rechts). Dunklere Farben verdeutlichen die späteren Sukzessionsstufen (Alter und Vegetation der Zonen unterscheiden sich).
Zunehmend werden jedoch die kurzlebigen, bereits etablierten, schmalen Blühstreifen kritisiert und sogar eine „ökologische Falle“ genannt, weil diese a) den Überwinterungserfolg langsam kolonisierender oder Insektenarten mit einem langen Lebenszyklus reduzieren (z. B. Laufkäfer, Kurzflügler und Fliegen, die als Bestäuber fungieren), und b) durch ihre Form einen sehr starken Randeffekt aufweisen. Die Lebensdauer eines Blühstreifens unterscheidet sich zwischen den verschiedenen europäischen Ländern (Deutschland: zwei Jahre, Schweiz: fünf Jahre), jedoch wird er stets nach Ablauf der Jahre aus der Agrarlandschaft entfernt. Dies verdeutlicht erneut, dass dringend mehr Forschung und Monitoring zu den bereits etablierten Kompensationsmaßnahmen im Bezug auf Effektivität und Langzeitwirkung nötig sind, um kritische Elemente (wie z. B. Form) detektieren und entsprechende Verbesserungsmöglichkeiten finden zu können.
Genau hier setzt das „Linde-Blühflächen-Experiment“ an. Wir vergleichen die konventionellen Blühstreifen mit einem innovativen Blühwanderfenster-Design (siehe Eccard et al. 2022 [im Druck]) in ihrer Effektivität auf Insektenanzahl und -diversität. In den Blühwanderfenstern wird jedes Jahr eine neue Vegetationszone ergänzt, wobei zeitgleich die älteste Zone aus dem Blühelement entfernt wird. Damit kann das Blühfenster über die Felder „wandern“ (Abb. 3), wodurch ein permanentes Habitat erschaffen wird. Durch das Blühwanderfenster wollen wir: 1) ein mobiles, aber beständiges Habitat erschaffen, welches nicht zeitnah vollständig entfernt wird, 2) die strukturelle Diversität durch verschiedene Sukzessionsstufen erhöhen, wobei sich Alter und Vegetation dabei unterscheiden, und 3) den Randeffekt durch die kompakte Form reduzieren.
Aktuell ist das Projekt für die nächsten drei Jahre angesetzt und wird von einer Doktorarbeit begleitet. Zudem bietet das Projekt Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Wissenschaftler*innen an, wobei es bereits mit den Projekten von BioMove verknüpft ist. Abschlussarbeiten, wie Bachelor und Masterarbeiten, können zusätzlich in diesem experimentellen Design durchgeführt werden.
Zusammenfassend erweitert das „Linde-Blühflächen-Experiment“ das Wissen über die Wirksamkeit der aktuell umgesetzten Agrarumweltmaßnahmen und bietet somit auch die Möglichkeit zu ihrer Evaluation und entsprechender Verbesserung der Maßnahmen. Damit bildet das „Linde-Blühflächen-Experiment“ einen wichtigen Bestandteil zur Verbesserung des Insektenschutzes und knüpft direkt an das Aktionsprogramm Insektenschutz des Bundesministeriums für Umwelt an.
Das „Linde-Blühflächen-Experiment“ findet an der Forschungsstation Linde, Havelland (Brandenburg) statt und wird von der Zwillenberg-Tietz Stiftung gefördert. Die Blühwanderfenster werden auf fünf stiftungseigenen Feldern (5-19 Hektar) mit ökologischer Landwirtschaft umgesetzt, wobei jedes Blühelement 0,3 Hektar entspricht.
Veröffentlichungen und Medien über das Linde-Blühflächen-Experiment:
Für die Projektentwicklung folgen Sie uns auf Twitter: @AnimalPotsdam